Homöpathiewerbung für Eltern im "Wickelrucksack" der MA11 in Wien
Der Wiener Gesundheitsverbund (vormals Wienkav - Wiener Krankenanstaltenverbund) hat sich im Jahr 2018 durch die Bereitstellung von 95000 € für einen energetischen Schutzring um das neue Krankenhaus Nord eine veritable Blamage eingehandelt. Man würde von der Gemeinde Wien daher danach mehr Vorsicht beim Umgang mit wissenschaftsferner Pseudomedizin erwarten.
Die MA11 in Wien verschenkt an werdende oder junge Eltern bei Vorlage des Mutter-Kind-Passes einen Wickelrucksack. Wir wurden über den Inhalt zweier Wickelrucksäcke, abgegeben am 16.4.2020 und Mitte August 2020 informiert.
Auf der Website über den Inhalt u.a.
- Enthält eine Dokumentenmappe mit Informationsmaterial
Richtigerweise sollte das allerdings heissen "DESINFORMATIONSMATERIAL". Unter anderem werden nämlich mit dem Wickelrucksack zwei Werbebroschüren für Homöopathie verteilt (Folder1Homöopathiewerbung, Folder2InhaltsstoffeHomöopathika)
Im Folder1 werden medizinisch-wissenschaftlich unhaltbare Behauptungen aufgestellt:
Homöopathika unterstützen die Selbstheilungskräfte, ohne das kindliche Immunsystem zu belasten
und
Die bewährten homöopathischen Arzneimittel von Similasan lindern häufig auftretende Beschwerden und Infekte von Klein- und Schulkindern wie:
Allergien
Zahnungsbeschwerden
Erkältung und Husten
Typische Beschwerden im Kindesalter wie Hals-, Kopf- oder Ohrenschmerzen
Verdauungsstörungen
Koliken
Magen-Darm-Beschwerden
Unruhe, stressbedingte Symptome und Schlafstörungen
Das "witzigste" Highlight der Schwurbelei sind sogenannte „immaterielle Reize“
Sie wirken nämlich nicht dank einer bestimmten Menge Arzneisubstanz, sondern durch immaterielle Reize. Daraus ergeben sich zahlreiche Vorteile in der Behandlung....
Auf dem Folder mit der Liste der empfohlenen Produkte wird weiters unter den Inhaltsstoffen der Gehalt an Äthylalkohol verschwiegen. Der Äthylalkoholgehalt der dort beworbenen Tropfen ist 50,6%. Interessant werden die als „sanft“ und „natürlich“ beworbenen Produkte, wenn man exakt bestimmt, wie viel Alkohol die Kinder damit möglicherweise eingeflößt bekommen könnten. Wir haben das hier einmal durchgerechnet, mit erstaunlichem Ergebnis.
Es ist verständlich, dass die Homöopathieindustrie potentielle Kunden für ihre Produkte mit ihrer Werbung möglichst früh erreichen und an sich binden will und das über möglichst vertrauenerweckende Kanäle. Erfolgreiche Werbung für Pseudomedizin kann jedoch gefährlich für die werden, die sich darauf verlassen. Auch kann die kritiklose Verwendung dieser Produkte bei Kindern zum Beginn eines Trainings in "Tabletteneinwerfen" bei kleinsten Beschwerden werden. Dass diese Werbung von einer „amtlichen“ Stelle verteilt wird, könnte bei Eltern den falschen Eindruck erwecken, dass es sich dabei um wirksame Medikamente handelt. Wir sind der Meinung, dass die Gemeinde Wien nicht als Handlanger der Werbung für ein pseudomedizinisches Verfahren auftreten sollte, das keine über den Plazeboeffekt hinausgehende Wirkung hat.
Nach der Veröffentlichung hat uns eine Stellungnahme der MA11 der Gemeinde Wien erreicht.