Initiative für
Wissenschaftliche Medizin

3 Referate zur Förderung der Pseudomedizin in der Wiener Ärztekammer

Was genau ist das in einem anderen Beitrag entdeckte „Referat für Internationale Traditionelle Medizin, Prävention und komplementäre Krebsbehandlungen“, das als Veranstalter dieser Pseudomedizinwerbeveranstaltung angeführt ist?

Zum ersten - ein Referat mit exakt diesem Namen gibt es auf der Website der Ärztekammer nicht (mehr?), lediglich eines ohne die Erwähnung der komplementären Krebsbehandlung.

 

Das Referat für Internationale Traditionelle Medizin und Prävention und komplementäre Krebsbehandlungen

Das Referat hat 12 Mitglieder.

Unter „Aufgaben und Ziele“ dieses Referats wird klar, worum es gehen soll.

…und andererseits den komplementären Ansatz bei Krebsbehandlungen verstärkt integrieren und so die Interessen der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen insbesondere mit ÖÄK Diplomen unterstützen.

Es geht hier also nicht um die Interessen der Patienten, sondern um die Interessen der niedergelassenen Ärzte, Krebskranken Pseudomedizin zu verkaufen.

Angeregt durch das Entdecken dieses seltsamen Referats bin ich die Liste der Referate der Wiener Ärztekammer durchgegangen und bei 2 weiteren Referaten schlug der Pseudomedizindetektor aus.

 

Das Referat für Komplementäre und integrative Medizin

Das Referat hat 20 Mitlgieder

Aus den Aufgaben und Zielen

Unser Referat will Ärztinnen und Ärzte mit komplementärmedizinischen Zusatzdiplomen in der Ärztekammer vertreten

Es handelt sich also wieder um eine Lobbyorganisation für Pseudomedizin mit praktisch demselben Ziel wie das des Referats für Internationale Traditionelle Medizin und Prävention.

Der Leiter des Referats, Dr. Felix Badelt,

ist uns von seiner Behandlung von Post- und Long-Covid mit Homöopathie bekannt.

Die 1. Stellvertreterin Dr. Elisabeth Lazcano Kraupp, Fachärztin für Psychiatrie

Es ist zu befürchten, dass sie psychiatrische Patientinnen mit Homöopathie behandelt. Ein passender Kommentar dazu ist ein Leserbrief in Consilium 09/24 p.20 von Prim. Dr. Gerald Grundschober.

Auf ihrer Website verspricht sie mit „Heilpilzen“ positive Wirkungen bei fast allem

Rheuma, Osteoporose, Autoimmunerkrankungen, Erschöpfung, Burn Out, Herzkreislaufbeschwerden, Allergien, Autoimmunerkrankungen, Tumorerkrankungen, Magendarmproblemen, Nervenerkrankungen, Ängsten, innerer Unruhe und Schlafstörungen

Versprochen wird durch die Heilpilze weiters

Verbesserung der Fließeigenschaft des Blutes, Vorbeugung von Schlaganfällen und Herzinfarkt, Stärkung des Immunsystems, Fitmachen und Stimmungsaufhellung, Steigerung der Ausdauer und Leistungsfähigkeit, Unterstützung der Regeneration und Entgiftungsprozesse sowie Prävention von Tumorerkrankungen.

 Aus dem Tätigkeitsbericht 2023 des Referats

Sitzung der Kurie NGÄ am 18.12.2023 : Empfehlungsantrag an das Verhandlungsteam der ÖÄK auf Aufnahme einer neuen Position: „komplementärmedizinische Intervention“ als Sonderleistung im geplanten Österreich-weiten ÖGK -Leistungskatalog, verrechenbar für (Vertrags-) Ärztinnen mit entsprechender ÖÄK diplomierter Zusatzausbildung - zum Tarif von € 30.-/15 Min Zeitaufwand, finanziert aus zusätzlichen Mitteln zur Reduktion der bestehenden 2 Klassen-Medizin

D.h. es handelt sich wieder um einen Versuch, Geld aus öffentlichen Krankenversicherungen für Pseudomedizin zu vergeuden. Ein früherer Versuch im Parlament, die Pseudomedizin an vielen Stellen zu fördern, ist ja nicht geglückt. Es ist zu hoffen, dass die ÖGK auf dieses Ansinnen nicht eingeht.

 

Das Referat Wissenschaftlichkeit ausgewählter medizinischer Methoden

Im Gegensatz zu den beiden anderen Referaten findet man keine Webseite über Aufgaben und Ziele.

Während bei den beiden anderen Referaten alle Mitglieder auf den Webseiten der Referate gelistet sind, sind hier nur 3 leitende Personen angeführt.

Es gibt aber einen Tätigkeitsbericht des 4. Quartals 2023, dort findet man insgesamt 14 fixe Mitglieder, u.a. Michael Frass, Homöopath, dessen Studie über die Wirkung von Homöopathie bei fortgeschrittenem Lungenkrebs von der ÖAWI vernichtend beurteilt wurde, worüber wir hier mehrmals berichtet haben. Das detaillierte Ergebnis der Untersuchung der Studie durch die ÖAWI ist jetzt im Internet verfügbar.

Weitere Zitate aus dem Tätigkeitsbericht:

 

- Wissenschaftliche Evidenz im Sinne der EBM (nach Sackett) soll für einzelne, ausgewählte Methoden gesammelt, geordnet und dargestellt werden

Das sollte man lieber kompetenteren Organisationen überlassen. Es wäre nicht überraschend, wenn Cherrypicking pro Pseudomedizin betrieben wird.

 

- Eine Abwanderung von bis dato in ärztlicher Ausübung und damit unter ärztlicher Kontrolle stehender Methoden zu nicht-ärztlichen Berufsgruppen bzw. Anwender:innen soll verhindert werden

Das Praktizieren von Pseudomedizin soll weiterhin Ärztinnen vorbehalten bleiben. Beispielsweise Homöopathika, die an Tankstellen oder Drogerien verkauft würden, Bioresonanz oder Applied Kinesiology bei Energetikerinnen wären natürlich unerwünschte Konkurrenz.

 

- Adaptierung der Referatsbezeichnung von Referat "Wissenschaftliche Überprüfung von ÖÄK-Diplominhalten" auf Referat "Wissenschaftlichkeit ausgewählter medizinischer Methoden"

Eine kritische Überprüfung der Pseudomedizindiplome ist also definitiv nicht beabsichtigt oder erwünscht und es soll auch durch den Titel nicht der Anschein dessen erweckt werden.

 

Fazit:

Während in Deutschland fast alle Landesärztekammern sich von wenigstens einem Schwurbeldiplom (Homöopathie) getrennt haben, schlägt die Ärztekammer Wien den umgekehrten Weg ein. Es wurden 3 neue Referate geschaffen, deren Aufgabe es ist, die Stellung der Pseudomedizin in der Ärztekammer und der Ärzteschaft zu festigen.

Details am Rande:

  • Ein Referat für (wirkliche) Krebsbehandlung oder Onkologie gibt es nicht.
  • Ein Referat für Public Health gibt es nicht.
  • Das Referat für (wirkliche) Vorsorgemedizin hat ein einziges Mitglied, keine Aufgaben und Ziele, keinen Tätigkeitsbericht.
  • Daran erkennt man den Stellenwert, der von der Wiener Ärztekammer diesen Themen im Vergleich zur Pseudomedizinforderung gegeben wird.