Zum Master of (Pseudo)Science durch Pseudomedizinkurse um viel Geld
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Ganzheitliche Therapie und Salutogenese
Masterlehrgang berufsbegleitend
Die FH Campus Wien bietet für das Wintersemester 2022/23 einen Masterlehrgang mit dem Titel „Ganzheitliche Therapie und Salutogenese“ an, als Abschluss winkt der Titel MSc (Master of Science), die Kosten belaufen sich je nach Bezahlungsmodus auf stolze 13.600 – 15.640 €. Das Wort „ganzheitlich“ lässt natürlich sofort die Schwurbelmedizinalarmglocken läuten. Bei genauerer Durchsicht der Informationen auf der Website bewahrheitet sich der Verdacht. Ein erheblicher Teil des angebotenen Unterrichtsinhalts ist Pseudomedizin.
Was erwartet man von den Kursteilnehmerinnen?
Was Sie mitbringen
Sie erleben seitens der Bevölkerung eine steigende Nachfrage nach ganzheitlicher Therapie und Gesunderhaltung (Salutogenese), sind dafür offen und kommen aus einem gesetzlich anerkannten Gesundheitsberuf.
Das Motiv für den Lehrgang wird klar, es sollen die Wünsche zahlungsbereiter Konsumenten erfüllt werden.
Es ist Ihnen wichtig, sich systematisch und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft weiterzubilden. Gleichzeitig sind Sie daran interessiert, Wissenschaft und Forschung voranzutreiben und damit an internationale Standards anzuschließen.
Welche wissenschaftliche medizinische Weiterbildung bietet nun das erste Semester?
1.Semester
Lehrveranstaltung
Anthroposophie
Aromatherapie
Ausleitende und umstimmende Therapieverfahren
Berufsrechtliche Aspekte im nationalen und internationalen Kontext
Chronobiologie
Ethnomedizin
Grundlagen der Regulationsmedizin
Kneipp und Balneologie
Medizin und Spiritualität
Medizinische Anthropologie
Medizinische Ethik
Phytotherapie
Systemtheorie und wissenschaftliches Informationsmanagement
Traditionelle europäische Medizin und Klostermedizin
Wirkprinzipien der ganzheitlichen Therapie und Salutogenese
Anthroposophie? Ausleitende Therapieverfahren? Mit Wissenschaft hat das nur insofern zu tun, dass die Ergebnisse der medizinischen Wissenschaft keinen Nachweis für deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus erbringen.
Auch das 2. Semester ist gefüllt mit Unterricht in Pseudomedizinverfahren
2. Semester
Lehrveranstaltung
Ayurveda
Funktionelle Myodiagnostik und Applied Kinesiology
Ganzheitliche Krebstherapie
Grundlagen wissenschaftliches Arbeiten
Homöopathie
Homotoxikologie
Mayr Kuren
Neuraltherapie
Orthomolekulare Medizin
Osteopathie
Schmerz, Palliativmedizin und Sterbebegleitung
TCM und Akupunktur
tibetische Medizin
Vertiefung der Regulationsmedizin und Myoreflextherapie
Leiter des Lehrgangs ist der Humanmediziner Dr. Gerhard Hubmann, der uns schon von der Veranstaltung „Integrative Onkologie“ im Jahr 2017 bekannt ist. Dr. Hubmann praktiziert Misteltherapie, Homöopathie, Homotoxikologie, Mikroimmuntherapie, Holopathie, komplementäre Krebstherapie, TCM, Ozontherapie und ist Vizepräsident der GAMED (Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin). Er war auch Mitunterzeichner des abgelehnten parlamentarischen Entschließungsantrags der FPÖ zur Förderung der Komplementärmedizin in Österreich.
Außerdem sind die Kurskosten als Fortbildungskosten steuerlich absetzbar. Das trifft allerdings auch auf andere von der Arztakademie approbierte Weiterbildungen in Pseudomedizin zu.
Pseudodiplomfortbildungspunkte von der Arztakademie
Dass die Arztakademie der Österreichischen Ärztekammer bei der Behübschung der Pseudomedizin aktiv mitmacht und Diplomfortbildungspunkte verschenkt, überrascht uns auch nicht mehr wirklich, ist aber eine Verhöhnung derer, die seriöse medizinische Fortbildungen veranstalten.
Sogar die Ärztekammer in Bayern hat zuletzt als eine von nunmehr vielen Ärztekammern Deutschlands beschlossen, Homöopathie als Diplomausbildung zu streichen, obwohl das Bayrische Parlament weiterführende Beforschung der Homöopathie unterstützte. In Österreich setzen die Ärztekammern weiterhin auf die Ausbildung in pseudomedizinischen Verfahren ohne Rücksicht auf das Recht der Patienten, nach dem letzten Stand der medizinischen Wissenschaft behandelt zu werden.
Passen Kurse in unwissenschaftlicher Pseudomedizin zu Vorgaben, die für eine Fachhochschule gelten?
Für Fachhochschulen in Österreich gilt das „Fachhochschulgesetz“ (Konsolidierte Fassung vom 10.12.2021)
An Fachhochschulen gibt es Masterstudiengänge und Masterlehrgänge, wie z.B. der beschriebene Lehrgang mit Pseudomedizininhalten ist.
Masterstudiengänge sind vor allem im § 3 FHG geregelt - siehe hier.
Masterlehrgänge regelt § 9 FHG:
Masterlehrgänge (wie der beschriebene Pseudomedizinlehrgang) werden z.B. an der FH-Joanneum
.....durch ein FH-internes Qualitätssicherungsverfahren entwickelt, geprüft und freigegeben, dieses wiederum wird spätestens alle sieben Jahre durch ein externes, institutionelles Audit evaluiert.....
Im Fachhochschulgesetzt über Masterlehrgänge:
§ 9.
(1) Fachhochschulen sind berechtigt, in den Fachrichtungen der bei ihnen akkreditierten Fachhochschul-Studiengänge auch Hochschullehrgänge einzurichten. Diese sind in die hochschulinterne Qualitätssicherung und -entwicklung einzubinden. Die Qualität der Lehre ist durch wissenschaftlich, wissenschaftlich-künstlerisch, künstlerisch oder berufspraktisch und didaktisch entsprechend qualifiziertes Lehrpersonal sicherzustellen.
Dass der Masterlehrgang in Pseudomedizin die Qualitätssicherung der Fachhochschule erfolgreich durchlaufen hat, ist verwunderlich. Dass ein Lehrgangsleiter, der bekannterweise ein Proponent mehrerer unwissenschaftlicher Pseudomedizinverfahren ist, als "wissenschaftlich qualifiziert" akzeptiert wird, überrascht doch ziemlich.
Zusätzlich zum Fachhochschulgesetz hat sich die FH Campus Wien einen „Code of Conduct“ selbst auferlegt, dieser enthält unter anderem auf Seite 4 folgenden Text:
Unsere Lehrenden und Lektor*innen setzen in ihrem Unterricht auf ein ausbalanciertes Verhältnis von Wissensvermittlung und Kompetenzaufbau. Sie orientieren sich dabei an berufsspezifischen Erfordernissen und wissenschaftsfundierten Konzepten. Lernziele, Workload und Kriterien zur Leistungsüberprüfung kommunizieren sie transparent und klar
Fazit: Ähnlich wie früher die Donau-Universität Krems, versucht jetzt die Fachhochschule Campus Wien, mit einem Lehrgang in offensichtlich gefragter Pseudomedizin Geld zu verdienen und mit dem Titel Master of (Pseudo)science zu locken. Ein Lehrgang mit pseudomedzinischem Inhalt steht in klarem Widerspruch zur Forderung nach Wissenschaftlichkeit in Gesetz und selbst auferlegtem "Code of Conduct". Die Leitung der Donau-Universität Krems hat im Jahr 2020 reagiert und den damals geplanten Lehrgang in Pseudomedizin (Natural Medicine) aus dem Programm genommen. Auch für die Fachhochschule Campus Wien hielten wir es für ratsam, einen solchen Schritt für den Kurs "Ganzheitliche Therapie und Salutogenese" zu überlegen.
Update 29.12.2021 Angeregt durch diese Website hat auch die Tageszeitung "Der Standard" einen Artikel über dieses Thema veröffentlicht.
Update 30.12.2021 Studierende der FH kritisieren den Pseudomedizinlehrgang, darüber berichtet "Der Standard" in einem Artikel
Update 7.1.2022 Morgenjournal Ö1 oder als MP3-Datei oder als Transskript
Update 12.1.2022 im Standard über weitere Absurditäten
Update 14.1.2022 im Standard über einen vorläufigen Stopp und eine Zusammenfassung des Themas auf unserer Website